Ramon Llull (1232–1316)
Der Mallorquiner Ramon Llull (lateinisch: Raimundus Lullus) ist eine der schillerndsten Figuren des
Mittelalters. Der geniale Autodidakt, der als Philosoph, Theologe und
Universalgelehrter etwa 280 Werke in altkatalanischer und lateinischer Sprache
verfasste, fasziniert noch heute durch seine ungewöhnliche Biographie und seine
enorme literarische Produktivität.
1232 auf der noch überwiegend von
Muslimen besiedelten Baleareninsel Mallorca geboren, fasste der verheiratete
Laie und Vater zweier Kinder nach einem Bekehrungserlebnis im Alter von etwa 30
Jahren den Entschluss, sein ganzes weiteres Leben der Missionierung aller
Nichtchristen, vor allem jedoch der Muslime zu widmen.
Im Zentrum seines
Denkens stand die Entwicklung einer neuartigen wissenschaftlichen Beweismethode
mit dem Ziel, Nichtchristen gewaltlos und mit rational einsehbaren Argumenten
von der Wahrheit des Christentums zu überzeugen. Seine Kombinatorik, mit der er
nach Art einer "Denkmaschine" solche Argumente konstruierte, hat von
Cusanus bis Leibniz bedeutende Denker der Renaissance und der Neuzeit
beeinflusst.
Wenngleich Ramon Llull im deutschsprachigen Raum heute wenig bekannt ist,
floriert die Llull-Forschung vor allem in Spanien
(und dort besonders in Katalonien), in Italien sowie in einigen
lateinamerikanischen Ländern wie Brasilien und Argentinien.
Seine lateinischen Werke sind
mehr als 700 Handschriften erhalten, die in über 150 europäischen und
nordamerikanischen Bibliotheken aufbewahrt werden.
Das Raimundus-Lullus-Institut
Im Jahr 1957 von Prof. Friedrich
Stegmüller gegründet und der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg
eingegliedert, hat das Raimundus-Lullus-Institut
(heute: Forschungsstelle für Quellenkunde der Theologie des Mittelalters) es sich
zur Aufgabe gemacht, die lateinischen Werke Ramon Llulls
zu edieren.
Da am Anfang jeder kritischen
Editionsarbeit eine Sichtung sämtlicher Handschriften steht, in denen das zu
edierende Werk enthalten ist, wurde zunächst eine umfassende Sammlung von Mikrofilmen
aller bekannten Llull-Handschriften angelegt. In den
1950er und 1960er Jahren bereisten Prof. Stegmüller und seine Assistenten die
wichtigsten einschlägigen Bibliotheken und fotografierten die Handschriften
selbst ab; heute verfügen die meisten Bibliotheken über einen Kopierservice, so
dass Digitalisate neu
entdeckter bzw. neu katalogisierter Handschriften vor Ort bestellt werden
können. Noch immer wächst die Sammlung des Raimundus-Lullus-Instituts, übrigens die weltweit einzige
vollständige Llull-Sammlung, ständig an.
Die vom Institut herausgegebene
kritische Edition der Raimundi Lulli
Opera Latina (ROL) umfasst bisher 40 Bände sowie drei Supplementbände
(Stand Mai 2024). Insgesamt 55 Bände sind geplant.
Das Raimundus-Lullus-Institut wird Jahr für Jahr von zahlreichen in- und
ausländischen Gastwissenschaftler*innen besucht, die neben den
Spezialsammlungen auch die umfangreiche mediävistische
Bibliothek des Arbeitsbereichs nutzen, in der nahezu alle edierten Quellentexte
zur mittelalterlichen Theologie und Philosophie vorhanden sind.
Vom Pergament ins Internet: ʻRamon Llull im WWW’
Im Rahmen des Projekts ʻRamon Llull im WWW’, das
von 2000–2016 in Zusammenarbeit mit dem Universitätsrechenzentrum und der
Universitätsbibliothek Freiburg durchgeführt wurde, konnte der weitaus größte
Teil der Mikrofilmsammlung des Raimundus-Lullus-Instituts (d.h. knapp 700 Handschriften) digitalisiert
und online zur Verfügung gestellt werden. Dies bedeutet eine enorme
Arbeitserleichterung für die Llull-Forschung in aller
Welt, da mit der Internetpräsentation nun ein ortsunabhängiger Zugriff auf die
Handschriftenbestände des Instituts möglich ist.
Das Vorhaben wurde von Juli 2000
bis Februar 2005 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt und
außerdem von der Wissenschaftlichen Gesellschaft der Universität Freiburg
gefördert.
Ab Januar 2008 wurde neben den
lateinischen Werken Ramon Llulls auch ein großer Teil
seines volkssprachlichen Opus in die Datenbank aufgenommen. Dank der
Finanzierung durch das Patronat Ramon Llull (www.patronatramonllull.org/)
stand uns zu diesem Zweck die digitalisierte Mikrofilmsammlung des Centre de Documentació Ramon Llull der
Universität Barcelona (cdocllull.narpan.net/)
zur Verfügung.
Einige Hinweise
zur Nutzung der Datenbank
Die Datenbankeinträge zu den
einzelnen Manuskripten umfassen den Namen der besitzenden Bibliothek, die
Signatur der jeweiligen Handschrift und eine Liste der in der Handschrift
enthaltenen lateinischen Werke Ramon Llulls. Unechte
Werke oder Schriften anderer Autoren sind in der Regel nicht gelistet; von den katalanischen
Werken werden nur die wichtigsten aufgeführt. Die Werktitel sind zur
leichteren Identifizierung mit den zugehörigen Nummern bzw. Signaturen in den
Katalogen von Glorieux, Platzeck, Bonner und ROL
versehen. Darüber hinaus bietet jeder Datenbankeintrag einen Link zu dem
korrespondierenden Eintrag der Llull-Datenbank der
Universität Barcelona (Base de Dades Ramon Llull / Ramon Llull
Database: orbita.bib.ub.es/llull/), in der
umfangreiche bibliographische Informationen zu den meisten Llull-Handschriften gesammelt sind.
Kontakt:
Dr. Viola Tenge-Wolf
Theologische Fakultät
Forschungsstelle für Quellenkunde der Theologie des Mittelalters
(Raimundus-Lullus-Institut)
Platz der Universität 3
D - 79085 Freiburg
+49 (0)761/203-2084
Viola.Tenge-Wolf@theol.uni-freiburg.de